Die Resistenzen gegen Antibiotika nehmen weltweit zu. Wir berichteten bereits über den Kampf gegen die steigende Anzahl resistenter Keime. Neben den Maßnahmen, die eine Verbreitung von Resistenzen einschränken können, lohnt sich auch ein Blick auf Alternativen, die uns in einer post-antibiotischen Ära zur Verfügung stehen. Bakteriophagen sind in diesem Zusammenhang zunehmend in den Fokus gerückt.
Bakteriophagen
Bei Bakteriophagen handelt es sich um eine Gruppe von Viren, die auf die Infizierung von Bakterien spezialisiert sind. Sie kommen in großer Menge in unserer Umwelt vor, ihre weltweite Anzahl übersteigt die von Bakterien um ein Vielfaches. Durch diese Omnipräsenz kommen Allergien gegen Bakteriophagen praktisch nicht vor, da wir sie beispielsweise über die Nahrung regelmäßig aufnehmen. Bereits 1917 kamen Phagen erstmals bei der Therapie von bakteriellen Infektionen zum Einsatz. Nach der Einführung von Antibiotika im klinischen Gebrauch Anfang der 1940er-Jahre, gerieten Bakteriophagen jedoch gerade in der westlichen Welt schnell in Vergessenheit. Währenddessen wurde besonders in der ehemaligen Sowjetunion weiter an diesen geforscht und bis heute finden sie in Ländern wie Russland, Polen und Georgien Anwendung an PatientInnen.
Bakterium als Wirt
Bakteriophagen enthalten DNA oder RNA, die nach dem Anheften an ein Bakterium in dieses eingeschleust wird. Je nach Phagenfamilie kann das Bakterium nun beispielsweise zur Vermehrung der viralen Nukleinsäure dienen. Die Produktion von Phagen und Lysozymen führt so schlussendlich zur Auflösung der Bakterienzellwand und zur Freisetzung der neuen Phagen – dies wird als lytischer Zyklus bezeichnet.
Im Vergleich zu Antibiotika ist die Wirkung deshalb unabhängig von den Wachstumsphasen einer Bakterienkultur. Auch die „Zielgenauigkeit“ unterscheidet Bakteriophagen und Antibiotika deutlich. Bakteriophagen können so spezialisiert sein, dass ein Anheften nur an bestimmte Stämme einer Bakterienart möglich ist. Dadurch ist eine Eliminierung von Krankheitserregern denkbar, ohne beispielsweise die Darmflora negativ zu beeinflussen. Dies bedeutet jedoch auch, dass zur Behandlung einer Infektion meist ein Gemisch aus verschiedenen Phagen notwendig ist. Die Wirkung der Phagen ist dabei selbstlimitierend. Liegen keine weiteren Bakterien zum Andocken vor, sind die Phagen wirkungslos und werden vom Körper aus dem Weg geräumt.
Einschränkungen
Durch Mutationen der Bakterien ist auch eine Resistenzbildung gegen Bakteriophagen möglich. Dies bedeutet aber auch, dass eine Veränderung der Bakterienzellwand nötig ist, um ein Anheften von Phagen unmöglich zu machen. Im Gegensatz zu Antibiotika können Phagen sich indessen ebenso weiterentwickeln und dieser Veränderung anpassen. Zudem kann eine veränderte Zellwand wiederum die Sensibilität gegenüber Antibiotika erhöhen.
Des Weiteren bildet das Immunsystem nach Einführung von Phagen in den Organismus passende Antikörper aus. Die wiederholte Anwendung identer Phagen führt somit rasch zu einem Ausbleiben der Wirkung.
Nicht zu vernachlässigen ist auch die Tatsache, dass es in der Natur von Bakteriophagen liegt, dass Bakterien, die sich in menschlichen Zellen vermehren, für diese unzugänglich sind, da ein Eindringen in menschliche Zellen nicht möglich ist. Einleuchtende Anwendungsgebiete sind deshalb vor allem Orte, an denen Bakterien in hoher Konzentration extrazellulär vorkommen, wie dies bei infizierten Wunden oder in den Atemwegen der Fall sein kann.
Ausblick
Die Anwendung von Bakteriophagen ist auch abseits der Humanmedizin denkbar. So könnte beispielsweise der Einsatz von Phagen bei der Reinigung von Lebensmitteln den weltweiten Antibiotikaverbrauch senken und hierdurch Resistenzen vermindern.
Derzeit ist der Anreiz für die Erforschung der Phagentherapie gering, da sich die Zulassung schwierig gestaltet – Phagen können sich im Gegensatz zu herkömmlichen Medikamenten weiterentwickeln und derzeitige Studienmodelle sind deshalb nur bedingt anwendbar. So fehlen noch Studien, die der Phagentherapie die Praktikabilität in der klinischen Anwendung bescheinigen.
In Zeiten zunehmender Antibiotikaresistenzen könnten Bakteriophagen in Zukunft jedoch notgedrungen eine größere Rolle in der Behandlung von Infektionen einnehmen. Wir bei Diagnosia verfolgen diese Entwicklungen mit großem Interesse.
Quellen
1. Leibniz-Institut DSMZ – „Was sind Bakteriophagen?“
2. „What are the limitations on the wider therapeutic use of phage?“
3. Pharmazeutische Zeitung – „Biologische Waffen gegen Bakterien“