Das Digitale Konsil von Diagnosia bietet ÄrztInnen im klinischen Alltag einen einfachen Weg, mit ExpertInnen verschiedenster Fachrichtungen zu chatten, um beispielsweise interessante Fälle zu diskutieren und sich eine Zweitmeinung einzuholen. Auf Diagnosia Insights stellen wir euch einige unserer KonsilärztInnen vor und lassen sie außerdem ein paar spannende Fragen zu ihrem Fachgebiet beantworten.
Heute dürfen wir Prim. Dr. Arschang Valipour, unseren Experten für COPD, im Interview begrüßen.
Das Interview ist in einem übersichtlichen Dropdown-Format gestaltet.
Vita
Ich bin in Österreich geboren und in Wien aufgewachsen. Ich studierte Humanmedizin an der Medizinischen Universität in Wien. Den Turnus leistete ich im kleinen Landeskrankenhaus Korneuburg. Anschließend absolvierte ich ein Forschungsjahr (Research Fellowship) am University College of London von 1999-2000. Nach meinen Aufenthalt in London, schloss ich im Folgenden die Ausbildung zum Facharzt für Lungenkrankheiten am Otto-Wagner-Spital in Wien ab. Anschließend durchlief ich die Facharztausbildung für Intensivmedizin und erwarb mein Facharztdekret für Innere Medizin und Pneumologie. Zwischen 2008 und 2019 war ich als Oberarzt an der I. Internen Lungenabteilung des Otto-Wagner-Spitals tätig. Die Venia docendi wurde mir 2009 verliehen. In meiner Zeit im Otto-Wagner-Spital war ich außerdem an der Entstehung und Entwicklung des Ludwig-Boltzmann-Instituts für COPD und Pneumologische Epidemiologie mitverantwortlich.
Aktuelle Entwicklungen
Im Juni 2019 wurde ich zum Vorstand an der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie am Krankenhaus Nord ernannt. Mit der Übersiedlung des Otto-Wagner-Spitals in das Krankenhaus Nord war im Folgenden auch eine Neuorientierung der klinisch-wissenschaftlichen Aktivitäten erforderlich. Im Dezember 2019 gründete ich folglich, gemeinsam mit meinem Kollegen Georg- Christian Funk, das Karl-Landsteiner-Institut für Lungenforschung und Pneumologische Onkologie. Dabei handelt es sich um eine klinische Forschungseinrichtung, mit dem Ziel vor allem jüngeren Kolleginnen und Kollegen entsprechende Rahmenbedingungen für Lungenforschung auf internationalem Topniveau zu ermöglichen.
Mein konkretes Interesse für die COPD hat sich bereits relativ früh in meiner beruflichen Laufbahn gezeigt. Ich habe gesehen, welchen hohen Leidensdruck die Betroffenen haben und dass dieser oftmals von einem Teil der Angehörigen bzw. den MedizinerInnnen nicht als solcher wahrgenommen wird. Von außen sieht man es den Betroffenen, vor allem in den Frühstadien nicht an, wie es ihnen mit der eingeschränkten Lungenfunktion im Alltag geht. Des Weiteren haben mich einzelne Patientenschicksale im Laufe meiner Ausbildung mitgenommen und mich ermutigt daran zu arbeiten die Behandlung der COPD zu verbessern und moderne Interventionen mitzuentwickeln.
Diagnostik der COPD
Die COPD zählt zu den häufigsten Folgen des Rauchens. Neue Zahlen zeigen, dass die
Problematik sowohl national als auch international immer größer wird. In Österreich sind Schätzungen zufolge rund 400.000 Menschen betroffen, aber nur bei 20% ist die COPD auch diagnostiziert (Stand WHO 2017).
Die Rolle der HausärztInnen
In erster Linie ist neben einer genauen Anamnese die Spirometrie als Hauptuntersuchung zu sehen. Infolgedessen werden weiterführende Untersuchungen zur Differentialdiagnose herangezogen. Das „Basispaket“ inkludiert ein Lungenröntgen (zum Ausschluss anderer Ursachen) sowie eine Blutabnahme, um andere Ursachen für Atemnot oder Husten zu berücksichtigen. Es kann auch eine Bodyplethysmographie durchgeführt werden, um Frühstadien einer etwaigen COPD anhand erhöhter Lungenvolumina zu erkennen, da vereinzelte PatientInnen in Frühstadien noch eine normale Spirometrie aufweisen. Bei manchen PatientInnen wird überdies auch eine Lungen-CT notwendig, um frühe Zeichen eines Raucherschadens der Lunge zu detektieren.
Wichtige Differentialdiagnosen einer COPD
Behandlung der COPD
Grundsätzlich gibt es folgende Behandlungsziele im Rahmen einer COPD: den progredienten Lungenfunktionsverlust zu verlangsamen, die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit zu verbessern, Beschwerden wie Atemnot und Husten zu mildern und die gehäuften Infektionen und Exazerbationen in Frequenz und Intensität zu verringern. Das sind fünf essentielle Behandlungsziele.
Des Weiteren wird zwischen medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen unterschieden. Zu den nicht-medikamentösen Interventionen zählen:
- Raucherentwöhnung
- Impfung (Influenza und Pneumokokken)
- Lungenrehabilitation (Ausdauer und Krafttrainingsprogramme, die im ambulanten und stationären Bereich durchgeführt werden können)
Bei den medikamentösen Maßnahmen unterscheidet man grundsätzlich drei Substanzgruppen:
Die inhalativen Anticholinergika LAMA (long-acting muscarinic antagonists) sind Bronchodilatatoren, die die Atemwege weit machen und den Schleim verringern. Zusätzlich trägt LABA (long-acting beta2 agonists) zur Bronchodilatation und zu einer Entspannung bzw. Erschlaffung der Atemwegsmuskulatur bei. Dies bewirkt auch eine Öffnung der Bronchien.
Inhalative Corticosteroide, als dritte Gruppe, zielen darauf ab bei PatientInnen mit COPD, vor allem jene, die eine eosinophile Inflammation aufweisen (und im Blut und/oder Sputum vordergründig eosinophile Granulozyten nachweisbar sind) eine Reduktion der Entzündung zu bewirken. In weiterer Folge begünstigt diese ein Abschwellen der Bronchien und eine Verringerung des Risikos von Exazerbationen.
Als perorale Medikation kommen bei selektierten Personen mit gehäuften Exazerbationen der Phosphodiesterase-4-Hemmer Roflumilast sowie das Makrolidantibiotikum Azithromycin zur Anwendung. Der PDE4-Hemmer bewirkt eine Reduktion der Exazerbationsrate und eine Verbesserung der chronischen Bronchitis, bei der Husten und Auswurf typisch sind. Azithromycin lindert die Atemwegsentzündung und die Exazerbationen.
Eine interdisziplinäre Erkrankung
Hausarzt, Lungenfachärzte und Internisten.
Bei allen Schweregraden der COPD steht die Raucherentwöhnung im Vordergrund. Bei leichteren Verläufen wird gegebenenfalls nur mit Bronchodilatatoren therapiert, wie z.B. die duale Bronchodilatation mit LAMA und LABA. Auch eine Lungenrehabilitation sollte zum Einsatz kommen.
Bei gehäuften Exazerbationen sollte die Indikation zur Therapie mit ICS, Roflumilast und Azithromycin geprüft werden. Sollte sich der klinische Verlauf trotz medikamentöser Behandlungsmaßnahmen nicht stabilisieren lassen, kommen moderne Behandlungsoptionen, beispielsweise im Rahmen einer Bronchoskopie bei Patienten mit Lungenemphysem zur Anwendung. Hier wird angestrebt das Lungengewebe der überblähten Lungenanteile zu verkleinern/verringern und damit eine Erleichterung der Atmung zu bewirken. Außerdem können auch gewisse Verödungstherapien mittels Bronchoskopie durchgeführt werden, jedoch befinden sich die entsprechenden Ansätze noch im Forschungsstadium.
Problem der Non-Compliance bei COPD
Neue Innovationen in der COPD Therapie
Bewährte Medikation
Anlässlich der Entwicklung der letzten Jahre ist vor allem die duale Bronchodilatation in einem Inhalator zu nennen. Dies stellt eine wesentliche Bereicherung der Behandlungsmöglichkeiten dar, denn PatientInnen müssen im Alltag nur einen Inhalator verwenden, um das nötige Maximum der Verbesserung der Obstruktion zu erzielen.
Eine weitere Vereinfachung der letzten Jahre war die Einführung der Triple-Inhalationstherapie (LAMA, LABA, ICS).
Hier würde ich gerne auf drei Punkte verweisen:
- Die Abgrenzung zu Asthma (v.a. bei Fehlen von eindeutigen Risikofaktoren)
- Therapietreue und die korrekte Inhalationstechnik
- Komorbiditäten, die einen Einfluss auf eine COPD haben und umgekehrt
Arzt-Patienten-Kommunikation
Grundsätzlich sollte man auf folgende fünf Punkte hinweisen:
- Therapietreue und Inhalationstechnik regelmäßig überprüfen
- Neben der Inhalation auf das Selbstmanagement der COPD und die Notwendigkeit von Impfungen (Influenza, Pneumokokken) verweisen
- Ganz besonders wichtig ist es als Betroffener im Alltag aktiv zu bleiben, denn man sollte sich vom „Couchpotatoe“ zum Spazieren-Geher bzw. vom Spazieren-Geher zum Läufer entwickeln. Jeder Schritt zählt.
- Zwei bis vier Mal im Jahr (je nach Erkrankungsgrad) sollte eine Lungenfachärztliche Kontrolle erfolgen.
- Auf Komorbiditäten sollte man achten und diese frühzeitig erkennen, denn sie können einen beachtlichen Einfluss auf die COPD haben. So beeinflussen sich beispielsweise eine Herzinsuffizienz und eine COPD gegenseitig sehr ungünstig. Auch ein Diabetes mellitus bzw. eine koronare Herzkrankheit können zu thorakalen Schwierigkeiten führen.
Fragen der PatientInnen
Rehabilitation bei COPD
Die Intervention ist ein dreistufiges Programm. Die rasch wirksame Bronchodilatationstherpaie, die sogenannte „Notfall-Medikation“ stellt die erste Stufe dar. Diese sollte folglich auf bis zu vier Mal täglich oder öfters gesteigert werden. Zusätzlich wird eine meist systemische Steroidtherapie über fünf Tage, mit 25-50mg Aprednislon pro Tag, angesetzt. Jene Personen, bei denen eine nachweisliche Infektion besteht, sollten ebenfalls mit Antibiotika über einen Zeitraum von fünf bis sieben Tage behandelt werden.
Nach der Exazerbation sollten die Betroffenen wieder auf das Fünf-Punkte Management verwiesen sowie angehalten werden ihre Therapie zu optimieren, damit es zukünftig nicht mehr zu solchen Situationen kommt.
Wir bedanken uns herzlich für die Beantwortung unserer Fragen zu diesem äußerst interessanten Thema.
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