Die Schwangerschaft kann Kontraindikation von Medikamenten sein
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5 häufig verwendete, in der Schwangerschaft kontraindizierte Medikamente

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Über die Folgen von Stress auf die Schwangerschaft haben wir bereits berichtet. Dass die Schwangerschaft aber auch eine kritische Phase für die medikamentöse Therapie von Frauen ist, ist spätestens seit dem Contergan-Skandal in den frühen 60er-Jahren einer breiten Masse an Menschen bewusst. Der deutsche Bundesverband Contergangeschädigter schätzt, dass damals ca. 5.000 – 10.000 Kinder mit schweren Malformationen als Folge einer Thalidomid-Therapie der Mutter während der Schwangerschaft zur Welt kamen.
Da es aus ethischen Gründen nicht möglich ist, randomisierte Studien an schwangeren Frauen durchzuführen, kann unser Wissen ob der Sicherheit von Medikamenten während einer solchen nur anhand von klinischer Erfahrung gesammelt werden. Dieses so gewonnene Wissen ist jedoch nur dann von Wert, sofern es auch seinen Weg in die tatsächliche Therapie von Schwangeren findet. Aus diesem Grund listen wir hier fünf häufig verwendete Wirkstoffe bzw. Wirkstoff-Gruppen, welche es im Zuge einer Schwangerschaft zu vermeiden gilt:

Paroxetin / Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)

Die vor allem in der Therapie depressiver Erkrankungen eingesetzten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) haben gemeinsam mit anderen Antidepressiva im Zeitraum von 2000 bis 2015 eine Verdopplung ihrer Verschreibungszahlen in den OECD-Ländern erlebt. (1) Dies macht sie zu einer der am häufigsten verschriebenen Medikamenten-Gruppen. Bei der Bewertung der Sicherheit von SSRI allgemein in der Schwangerschaft divergieren die wissenschaftlichen Meinungen. Dem Wirkstoff Paroxetin, einem wichtigen Vertreter dieser Gruppe, konnte jedoch ein statistisch signifikantes, erhöhtes Risiko für kongenitale kardiovaskuläre Geburtsdefekte nachgewiesen werden. (2-4)

Phenprocoumon

Dem vielfach in seiner Funktion als Gerinnungshemmer verwendeten Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon konnte in einer rezenten Studie ein deutlich erhöhtes Risiko für spontanen Abort sowie große Geburtsdefekte nachgewiesen werden. Hierbei wurde gezeigt, dass sich das Risiko besonders bei einem Konsum nach der 7. Schwangerschaftswoche um das bis zu fünffache erhöht. (5) Ob Phenprocoumon ebenfalls wie ein anderer Vitamin-K-Antagonist Warfarin eine Warfarin-Embryopathie auslösen kann, wird derzeit noch erforscht.

Tetrazykline

In ihrer Funktion als Antibiotika werden Tetrazykline vor allem bei der Therapie von zellwandlosen Keimen wie Chlamydien oder Mykoplasmen eingesetzt, da hier ihre Hemmung der bakteriellen Proteinbiosynthese besonders wirksam ist. Eine ihrer weiteren Eigenschaften, nämlich ihre starke Calcium-Bindung, ist jedoch Ursache dafür, dass sie bei Schwangeren und stillenden Müttern kontraindiziert sind. Während der Schwangerschaft konsumierte Tetrazykline werden in die Zähne und Knochen eingebaut und verursachen dadurch eine Gelbfärbung der Zähne sowie eine erhöhte Frakturanfälligkeit von Neugeborenen.

Isotretinoin

Seine atrophe Wirkung auf Talgdrüsen hat dem Retinoid Isotretinoin seine häufige Anwendung in der Therapie von Akne beschert. Die teratogene Wirkung der Retinoide ist bereits seit langem bekannt und sie gelten nach Thalidomid als am stärksten teratogen wirkende Substanz im Menschen. Aus diesem Grund ist eine Isotretinoin-Therapie während der Schwangerschaft absolut kontraindiziert und bei Frauen im gebährfähigen Alter nur bei laufender Kontrazeption erlaubt, wobei diese noch einen Monat nach Absetzen fortgeführt werden muss. Ob eine Therapie mit Isotretinoin zum Zeitpunkt der Befruchtung ebenfalls ein Risiko darstellt, ist noch nicht ausreichend erforscht.

ACE-Hemmer

Aus der Therapie des arteriellen Bluthochdrucks und der chronischen Herzinsuffizienz nicht mehr wegzudenken sind die Angiotensin-Converting-Enzyme-Inhibitoren (ACEI) Captopril, Enalapril, Lisinopril und Ramipril. Während diese aufgrund des Risikos einer Mangeldurchblutung der Plazenta, fetaler Hypertonie oder einer dialysepflichtigen Anurie bei Neugeborenen als Therapie im 2. & 3. Trimenon bereits seit einiger Zeit kontraindiziert sind, wurde ihr Verursachen von Fehlbildungen auch bei Therapie im ersten Trimenon erst 2006 nachgewiesen. (6) Aus diesem Grund sollte man bei Frauen im gebährfähigen Alter nach Möglichkeit eine andere antihypertensive Therapie bevorzugen.

Nutzen/Risiko in der Schwangerschaft & Diagnosia Enterprise

Diese Liste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und ist freilich nur ein kleiner Auszug all jener Medikamente, welche während der Schwangerschaft nicht oder mit Vorsicht angewandt werden sollen. Generell gilt es jeglichen Medikamenten-Konsum, vor allem während einer Schwangerschaft, sorgfältig hinsichtlich seines Nutzen-Risiko-Verhältnisses abzuwiegen und im Zweifelsfall mit einer Ärztin bzw. einem Arzt zu besprechen. Hilfreiche Informationen zu diesem Thema finden sich beispielsweise auch in unserem Diagnosia Enteprise Modul für Schwangerschaft und Stillzeit:

 

Diagnosia Enterprise: Unsere AMTS-Lösung für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen

 

Quellen

  1. Antidepressant drugs consumption, 2000 and 2015 (or nearest year). Paris: OECD, 2017.
  2.  Kallen BA, Otterblad Olausson P. Maternal use of selective serotonin re-uptake inhibitors in early pregnancy and infant congenital malformations. Birth Defects Res A Clin Mol Teratol. 2007;79(4):301-8.
  3. Einarson A, Pistelli A, DeSantis M, Malm H, Paulus WD, Panchaud A, et al. Evaluation of the risk of congenital cardiovascular defects associated with use of paroxetine during pregnancy. Am J Psychiatry. 2008;165(6):749-52.
  4. Tuccori M, Montagnani S, Testi A, Ruggiero E, Mantarro S, Scollo C, et al. Use of selective serotonin reuptake inhibitors during pregnancy and risk of major and cardiovascular malformations: an update. Postgrad Med. 2010;122(4):49-65.
  5. Huttel E, Padberg S, Meister R, Beck E, Schaefer C. Pregnancy outcome of first trimester exposure to the vitamin K antagonist phenprocoumon depends on duration of treatment. Thromb Haemost. 2017;117(5):870-9.
  6. Cooper WO, Hernandez-Diaz S, Arbogast PG, Dudley JA, Dyer S, Gideon PS, et al. Major congenital malformations after first-trimester exposure to ACE inhibitors. N Engl J Med. 2006;354(23):2443-51.