Medikamente im Alter
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Medikamente im Alter

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In den nächsten Jahrzehnten wird es zu einem drastischen Anstieg des Durchschnittsalters und der Anzahl an älteren Menschen in der westlichen Bevölkerung kommen. Durch die zunehmende Lebenserwartung steigt auch die Anzahl an Menschen, die aufgrund ihrer Krankheit medikamentös behandelt werden. Je älter Menschen werden, desto mehr Medikamente nehmen sie durchschnittlich ein; bei den über 60-Jährigen sind es statistisch ca. fünf, bei den über 80-Jährigen sogar über sieben Präparate täglich.  Wenn dann noch jene Medikamente im Alter hinzukommen, die ohne Verordnung eingenommen werden, steigen diese Zahlen sogar noch weiter an.

Interaktionen

 

Je mehr Medikamente ein Patient einnehmen muss, desto schwieriger ist es den Überblick zu behalten – nicht nur für den Patienten selbst, sondern auch für den behandelnden Arzt. Das Risiko für Nebenwirkungen, Interaktionen und Fehlmedikationen wird größer. Die Anzahl der gleichzeitig eingenommenen Medikamente ist ein signifikanter Prädiktor für das Auftreten von UAW, verursacht durch Arzneimittelinteraktionen. Zudem erfahren ältere Menschen in der Regel häufiger Nebenwirkungen von Medikamenten als jüngere Menschen (1). Ältere und gebrechliche Menschen werden häufig von Arzneimittelstudien ausgeschlossen, daher basieren Behandlungsentscheidungen auf Daten, welche aus robusteren Patientengruppen mit weniger physiologischen Defiziten extrapoliert wurden (2).

Leider bleiben UAW oft unerkannt; die auftretenden Beschwerden werden demnach als Symptome einer neuen Erkrankung interpretiert. Wichtig ist es beim Ansetzen eines neuen Medikaments den Patienten auf mögliche UAWs hinzuweisen und dafür zu sensibilisieren.

Die Interaktionen-Funktion in der Diagnosia App kann dabei unterstützen, eben diese UAWs schon im Vorfeld zu vermeiden und wenn diese auftreten auch richtig als solche zu erkennen.

 

Die Hürden im Alter

 

Das Problem dabei ist: Man kann es sich nicht wirklich vorstellen, wie es ist alt zu sein, wenn man es nicht selbst schon mal war. Jene Menschen, die viel Zeit mit alten Menschen verbringen oder selbst mehrere körperliche Gebrechen haben, können sich zumindest ein Stück weit in diese Lage hineinversetzen.

Dass diese, bis zu 4mal tägliche Einnahme von beispielsweise 15 winzig kleinen, ähnlich aussehenden Tabletten zu einer riesigen motorischen und kognitiven Herausforderung werden kann, übersehen wir, die diese Medikamenten verordnen, leider allzu oft.

Vergesslichkeit, Presbyopie, nachlassende Feinmotorik, Tremor, trockener Mund, Schwierigkeiten beim Schlucken…dies sind nur ein paar der körperlichen Veränderungen, mit denen ein alter Mensch zu kämpfen hat. Passieren dann in Zusammenhang mit diesen Alterserscheinungen Fehler bei der Einnahme, so können diese Fehler schwerwiegende Folgen haben. So können beispielsweise Gedächtnisprobleme zu Überdosierungen führen.

Verantwortung übernehmen – Einnahme der Medikamente im Alter sicher gestalten

 

Stichwort „Eigenverantwortung“

 

Wenn ältere Menschen Hilfe benötigen, geschieht es leider allzu oft, dass ihnen die Verantwortung entzogen wird. Oft, weil es einfacher ist und man nicht die Zeit und Mühe auf sich nimmt/nehmen kann, die Umstände auf die jeweilige Situation zu adaptieren.  Bei Kindern passiert das ganz selbstverständlich. Einer der Leitsätze in der Pädagogik ist: „Hilf mir, es selbst zu tun.“  Wenn dies noch möglich ist, ist es wichtig, dass auch ältere Menschen weiterhin die Verantwortung für sich tragen. Eigenverantwortung hat auch sehr viel mit Personenwürde zu tun.

Und nur dann, wenn wir auch selbst Verantwortung für unsere Gesundheit übernehmen (können), funktioniert die Therapie, das Gesundwerden, auch wirklich. Das bedeutet auch zu wissen oder sich selbst informieren zu können, welche Medikamente man einnimmt und wofür.

Non-Compliance

 

Non-Compliance findet häufig bei mangelndem Verständnis und Wissen über die Therapie und fehlender Adhärenz seitens des Patienten, aber auch des Arztes statt. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt ist genauso wichtig wie die Sorgfalt und das Wissen des Arztes. Und ohne die Mitarbeit des Patienten kann der Arzt die medikamentöse Therapie, trotz noch so großer Bemühungen und Aufmerksamkeit, nicht sicher gestalten.

Medikamentenlisten regelmäßig überprüfen!

 

Wie sehen nun also die klassischen Medikamentenlisten aus, die den Patienten als Information dienen? Wissen die Patienten wirklich, welche Medikamente sie einnehmen? Wie oft hört man, wenn man sie nach ihrer Medikation fragt: „So kleine weiße, fürs Herz am Morgen und noch irgendwelche zu Mittag!“ …und das ist sogar verhältnismäßig viel Information.

Ebenso sollten Medikamentenlisten regelmäßig überprüft werden, ob Medikamente, die der Patient einnimmt, überhaupt noch gebraucht werden. So zum Beispiel Schlaf- und Beruhigungsmittel, die im Krankenhaus verschrieben wurden und den älteren Menschen so dämpfen können, dass sie stürzen, was dann wiederum fatale Folgen haben kann.

Wichtig ist es auch das Seh- und Hörvermögen älterer Menschen zu überprüfen. Weiters sollte man die Nierenwerte und das Trinkverhalten kontrollieren.

Man sollte dem Patienten jegliche Hilfe, die ihnen die Einnahme von Medikamenten erleichtert (lesbarer, übersichtlicher, verständlicher, aktueller Medikamentenplan; Sortier-Dosiersysteme; Tablettenteiler; Angehörige hinzuziehen,…) anbieten.

Und zum Schluss noch eine Weisheit:

„Es sind weniger die Jahre, die uns alt machen, als unsere zunehmende Passivität.“ (Autor unbekannt)

 

Quellen:

  1. de Baat C et al. (2017). Medicaments and oral healthcare 4. Pharmacotherapy in (frail and care dependent) oder people. Ned Tijdschr Tandheelkd. 2017 May;124(5):265-270. doi: 10.5177/ntvt.2017.05.16244.
  2. Hubbard, RE; O`Mahony, MS; Woodhouse, KW. (2013). Medication prescribing in frail older people. Eur J Clin Pharmacol. 2013 Mar;69(3):319-26. doi: 10.1007/s00228-012-1387-2. Epub 2012 Sep 11.