Pulmonal arterielle Hypertonie

Von der Erkennung bis zum Therapiemanagement

NACHBERICHT ZUR FORTBILDUNG „PULMONAL ARTERIELLE HYPERTONIE“

Frühzeitige Diagnose & Therapieinitiierung sind essenziell

Im Rahmen der Autumn Med Days 2022 referierte DDr. Jörg Kellermair, Abteilung für Kardiologie, Kepler Universitätsklinikum Linz, am 18. Oktober über Herausforderungen in der Diagnostik der PAH (Pulmonal arterielle Hypertonie) und die klinische Relevanz, Patientinnen und Patienten frühzeitig einer Therapie zuzuführen.

Mag. Dr. med. Anita Schreiberhuber

Die PAH (Pulmonal arterielle Hypertonie) zählt mit einer Prävalenz von 15−50/1 Million Einwohner:innen zu den Orphan Diseases und kommt prädisponiert beim weiblichen Geschlecht vor.1 Zwischen der Dauer des Auftretens der ersten Symptome bis zur korrekten Diagnosestellung vergehen in der Regel 1−4 Jahre, und bis dahin sind bis zu vier Arztkontakte erforderlich.Unbehandelt beträgt das Überleben im Median nur 1−5 Jahre3, was die Relevanz einer frühzeitigen Diagnose und die Relevanz der Verfügbarkeit von effektiven Therapien untermauert.4  Zu den häufigsten Fehldiagnosen zählen Asthma, chronische Herzinsuffizienz oder sogar mangelnde Fitness.4
„Die Erkrankung macht es erforderlich, dass die Ärzte im niedergelassenen Bereich mit den Fachärzten in den Spitälern kooperieren, um rechtzeitig eine adäquate Diagnose zu stellen; denn diese ist für die Prognose von entscheidender Bedeutung“, erläuterte DDr. Kellermair.

PAH – eine klinische Subgruppe der PH


Die Pulmonale Hypertonie (PH) wird in 5 klinische Subgruppen unterteilt; davon ist die Gruppe 1 die PAH (idiopathisch/hereditär und damit assoziierte Erkrankungen), die weiteren Subgruppen sind: mit Linksherzerkrankung assoziierte PH, mit Lungenerkrankung assoziierte PH, mit pulmonal-arteriellen Obstruktionen assoziierte PH und PH mit unklaren und/oder multifaktoriellen Mechanismen. Zu den mit PAH assoziierten Erkrankungen zählen rheumatische Erkrankungen (v.a. Kollagenosen wie die Sklerodermie), angeborene Herzfehler und portale Hypertension.

Diese stellen Risikofaktoren für die Entwicklung einer PAH dar. Die PAH kann aber auch idiopathisch bzw. hereditär auftreten. Die PAH ist durch eine Vasokonstriktion und eine Verdickung der Adventitia charakterisiert, wodurch der Lungenhochdruck und die Rechtsherzinsuffizienz resultieren. Die Hämodynamik bei PH kann nur mittels Rechtsherzkatheteruntersuchung bestimmt werden. Die PAH ist durch eine präkapillare PH definiert − d.h., in der A. pulmonalis liegt ein erhöhter mittlerer arterieller Blutdruck (mPAP) vor. Der Cutoff für den mPAP ist > 20mmHg. Der Druck im linken Vorhof (PAWP; pulmonalkapillärer Wedge-Druck; Lungenkapillarenverschlussdruck) liegt bei ≤ 15mmHg und der pulmonalvaskuläre Widerstand (PVR) bei > 2WU.5

Diagnostische Vorgangsweise

  • STEP 1 − SUSPICION: Die PAH ist aufgrund von unspezifischen Symptomen schwer diagnostizierbar. Dyspnoe ist das häufigste Symptom. Zu den weiteren Symptomen zählen Fatigue, Schwächeanfälle, Thoraxschmerzen. Die typischen Symptome der rechtskardialen Dekompensation wie Beinödeme treten erst im fortgeschrittenen Stadium auf. Auch im EKG können Zeichen in den Ableitungen V1 und V2 vorliegen, die auf eine PAH hindeuten.
  • STEP 2 − DETECTION: Die Echokardiografie ist die beste Modalität, um auf das Vorliegen einer PH zu screenen, indem die trikuspidale Refluxgeschwindigkeit gemessen wird. „Ein Patient, der eine Rückflussgeschwindigkeit von 3−4 m/s hat, weist eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer PH auf“, erklärte Kellermair. Die Ergebnisse der Echokardiografie sind entscheidend dafür, ob eine Indikation für eine Rechtsherzkatheteruntersuchung vorliegt.
  • STEP 3 − CONFIRMATION: Ist dies der Fall, wird der/die Patient/in an ein spezialisiertes Zentrum zur Bestätigung bzw. zum Ausschluss einer PAH überwiesen.5
Abbildung 1
Abkürzungen:
I/H/D-PAH idiopathisch, hereditär, Medikament-assoziiert und CTD(Connected Tissue Disease)-assoziierte PAH; ERA: Endothelinrezeptor-Antagonist; PDE5-I: Phosphodiesterase-5-Inhibitor; PCA: Prostazyklin-Analogon; i. v.: intravenös; s. c.: subkutan;* Kardiopulmonale Komorbiditäten sind Erkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko für eine linksventrikuläre diastolische Dysfunktion assoziiert sind und umfassen Adipositas, Hypertonie, Diabetes mellitus und koronare Herzerkrankung. Pulmonale Komorbiditäten können Anzeichen für eine leichte Lungenparenchymerkrankung umfassen und sind häufig mit einer niedrigen DLco (< 45% als predicted) assoziiert.; DLco: Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität;** Intravenöses Epoprostenol oder i. v./s. c. Treprostinil

Risikostratifizierung

Gemäß den Guidelines der ESC/ERS (European Society of Cardiology/European Respiratory Society), die 2022 aktualisiert worden sind, erfolgt eine Unterteilung in drei Risikogruppen: niedriges, intermediäres und hohes Risiko. Bei Niedrigrisiko beträgt die geschätzte 1-Jahresmortalität <5%, bei Hochrisiko hingegen >20%. Die Risikostratifizierung basiert auf den Ergebnissen der klinischen, funktionellen und Rechtsherzkatheteruntersuchung sowie auf der Bildgebung. Diese Kategorien sind in weitere Parameter unterteilt, deren Vorliegen bzw. Werte die Zuordnung zu niedrigem, intermediärem oder hohem Risiko ermöglichen.5

Fallbeispiel

Ein 48-jähriger Patient mit einer Mischkollagenose und Raynaud-Symptomatik klagte über eine seit mehreren Monaten bestehende Belastungsdyspnoe. Aufgrund des Verdachts auf eine koronare Herzerkrankung (KHK) wurde eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt, bei der sich kein Hinweis auf eine KHK fand. Daraufhin wurde die Lungenfunktion untersucht – es fand sich zwar kein Hinweis auf eine Obstruktion oder Restriktion, aber die periphere Sättigung lag bei 88% und die DLco (Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität) war erniedrigt. In der Echokardiografie wurde ein akzentuiertes Rechtsherz mit Trikuspidalklappeninsuffizienz Grad II bei normaler linksventrikulärer Pumpfunktion nachgewiesen. Ein Lungenparenchymschaden und eine Pulmonalembolie konnten mittels CT des Thorax ausgeschlossen werden, wobei eine betonte Pulmonalarterie festgestellt wurde. Erst in der Rechtsherzkatheteruntersuchung konnte der Verdacht auf das Vorliegen einer präkapillaren PH bestätigt werden (mPAP: 55mmHG; PAWP: 8mmHg).

Fazit: Bei unerklärlicher Dyspnoe und Hypoxie bzw. Zyanose und Stigmata wie Beinödemen sollte immer an das Vorliegen einer PAH gedacht werden! Beim Patienten wurde eine Therapie mit einem Endothelinrezeptor-Antagonisten Macitentan und dem Phosphodiesterase-5-Inhibitor initiiert − und er wurde daraufhin asymptomatisch.

Therapiealgorithmus

Gegenwärtig sind drei verschiedene Substanzklassen für die Therapie von PAH verfügbar, die an unterschiedlichen Pathways ansetzen, die in der Pathogenese von PAH eine Rolle spielen: Dem Endothelinrezeptor-Pathway, dem NO-sGC-cGMP(Nitric oxide-soluble guanylate cyclase- cyclic guanosine monophosphate)-Pathway und dem Prostazyklin-Pathway. Je nachdem, in welche Risikogruppe der/die Patient/in fällt, gestaltet sich die Therapie. Während bei Patienten und Patientinnen mit niedrigem und intermediärem Risiko eine orale Therapie ausreichend ist, benötigen jene mit hohem Risiko eine maximale Therapie − d.h., zusätzlich zur oralen Therapie mit einem Endothelinrezeptorantagonisten und einem Phosphodiesterase-5-Inhibitor eine subkutane oder intravenöse Pumpe für die Applikation eines Prostazyklin-Analogons. Bei Patientinnen und Patienten mit kardiopulmonalen Komorbiditäten wird initial mit einer oralen Monotherapie gestartet.5 (Abb.1)

TAKE-HOME-MESSAGES:

  • rechtzeitig erkennen: Das Wichtigste bei der PAH ist, daran zu denken − v.a. bei den Risikokonstellationen: weibliches Geschlecht, rheumatologische Krankheitsbilder (v.a. Kollagenosen), Alter (meist 20 bis 60 Jahre), angeborene Herzfehler.
  • richtig reagieren: Der/Die Patient/in mit Verdacht auf PH sollte zur Echokardiografie geschickt und im Befund sollte auf Rechtsherzauffälligkeiten geachtet werden. Im Zweifel ist es besser, einmal mehr eine Rechtsherzkatheteruntsuchung zu veranlassen als einmal zu wenig, weil nur diese Untersuchung die Diagnose bestätigen oder ausschließen kann. Die Behandlung von PH-Patientinnen und -Patienten erfolgt in einem spezialisierten Zentrum.

Alle aufgezeichneten Vorträge zu den Diagnosia Autumn Med Days 2022 stehen ab sofort für medizinisches Fachpersonal auch als kostenloses E-Learning auf Diagnosia Learn zur Verfügung.

Literatur

1 Beshay S et al. (2020) Respir Med; doi: 10.1016/j.rmed.2020.106099. Epub 2020 Aug 19.
2 Armstrong I et al. (2012) BMJ Open;2:e000806. doi:10.1136/bmjopen-2011-000806
3 McLaughlin V et al., (2002) Circulation 10: 1477−82
4 Humbert M et al. (2012) Eur Resp 21; 306−312
5 Humbert M et al. (2022) Eur H Journal 43: 3618−731

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